F1-Tornado in Hamminkeln (Nordrhein-Westfalen)

am 8. März 2018


Ereignis- und Umgebungseigenschaften:

 

Datum: 08.03.2018

Zeitpunkt: gg. 18:47 MEZ (1747 UTC)

Ort: Hamminkeln (lokales Gebiet Roßmühle, Sportplatzareal und östl. davon)

Landkreis: Kreis Wesel

Bundesland: Nordrhein-Westfalen

 

Tornado-Intensität: F1 / F1 T3 [ca. 150 km/h - ca. 180 km/h]

Tornadoart: mesozyklonal

Zugbahn (Länge): 0.7 km

Zugbahn (Breite): 60 m max. / 30 m im Mittel

Zugbahnverlauf: W-O

Koordinatenpunkt: 51.724N 6.582E

Gemittelte Geländehöhe: 24 m üNN

Geländehöhenunterschied: <10 m

Betroffene Bereiche: Gebäude/Bauwerke, Vegetation, Fahrzeuge

 

Übergeordnete Situation: Tief Xenia

Entstehung: südl. Flanke einer Gewitterzelle


Karte:

Karte: OpenStreetMap / Lizenz: ODbL. Kartierung: Tornado-Arbeitsgruppe Deutschland.


Beschreibung der Zugbahn und der Schäden:

 

Die Vor-Ort-Erkundung am 11.03.2018 ergab, dass das Schadensbild in seinen Eigenschaften bei Gegenstandsverfrachtungen und bei Richtungsverschiebungen eindeutig auf einen Tornado hinweist. Des Weiteren wurden Gegestände verfrachtet bzw. beschädigt, die in ihren Flug- und Gewichtseigenschaften schwierig zu beurteilen waren. Wir weisen darauf hin, dass weitere experimentelle Berechnungen zur möglichen Windlast und Aerodynamik der betroffenen Fußballtore und der verschobenen Rasenfelder vorgenommen werden müssen.

Die ersten Schäden des Tornados konnten westlich vom Mengelershof gesichtet werden. Hier wurde ein einbetonierter Weidepfahl zum Teil aus dem Boden gerissen. Direkt am westlichen Rand des Hofs wurde der Zaun einer Pferdekoppel zerstört und ein Baum im oberen Kronenbereich abgebrochen. Direkt nördlich des Hofs wurden im Grünbereich Sträucher umgeworfen bzw. zum Teil entwurzelt. Diese Vegetationsart ist bei normalen Wind- und Sturmereignissen kaum schadensanfällig. Auch Orkanstärke fügt solchen Gehölzen kaum nennenswerte Schäden zu. Hinzu kommt, dass Vegetation im winterlichen unbelaubten Zustand prinzipiell weniger windanfällig ist. Nördlich des Grünbereichs schließt sich das Sportgelände des Hamminkelner Sportvereins mit mehreren Fußballfeldern an. Vom Trainingsfeld am westlichsten Rand des Geländes wurde ein Fußballtor erfasst und über eine Distanz von 200 Metern nach Osten über einen meterhohen Zaun (ca. 4 bis 5 Meter Höhe) und über Vegetation hin verfrachtet. Das Fußballtor wies ein geschätztes Gewicht von ca. 90 kg auf und wurde beim Aufprall stark beschädigt (laut Fotomaterial in der Lokalzeitung). Da das verfrachtete Objekt trotz seines Gewichts sehr schlechte Flugeigenschaften besitzt, muss von einer starken Dynamik / Rotationsgeschwindigkeit ausgegangen werden. Des Weiteren wurde ein Metall-Zaunfeld stark beschädigt. Auf dem mittleren Fußballfeld wurde ein weiteres Fußballtor umgeworfen und der Kunstrasen am Südrand des Feldes komplett aufgefaltet. Die Verankerungsbefestigung (Aluminium) wurde über dem Boden komplett ausgerissen und so die schweren Rasenfelder am Südrand des Fußballfeldes ineinander geschoben. In Anbetracht der Schwere der Rasenfelder und des Verankerungsbruchs wäre hier ein Intensitätsansatz in F1 T3 möglich. Im Bereich zwischen dem mittleren und östlichsten Fußballfeld wurde eine sogenannte Trainerbank (ein Metal-Kunststoff-Unterstand mit Sitzbankeinlass), welche in die gepflasterte Versiegelungsfläche einbetoniert war, mitsamt Betonfundament herausgerissen und im hinteren Bereich an den Metallverstrebungen abgerissen [mind. F1]. Die Trianerbank wurde ca. 40-50 Meter auf das Fußballfeld verfrachtet. Zudem wurden Werbebanner vom Spielfeldrand abgerissen und ebenfalls verfrachtet. Laut einem Zeitungsbericht wurde eines dieser Werbebanner bis in den Garten eines Grundstücks an der Blumenkamper Straße verfrachtet (dies entspräche einer ungefähren Verfrachtung von 800 Metern). Im Bereich des Haupthauses wurde ein Transportanhänger (ca. 1 bis 1,5 Tonnen Gewicht, genutzt als Ausschankwagen und somit als voll beladen zu bewerten) gegenläufig zum Schneisenverlauf umgeworfen und liegend ca. 10-12 Meter entgegen der Verlaufsrichtung über den Boden verrückt. Direkt nördlich des Haupthauses wurde ein Fahrrad über eine kurze Distanz durch die Luft verfrachtet [Augenzeugenbericht] und ein Kassenhäuschen im Grundbereich leicht verschoben. Am Weg Roßmühle wurde ein Baum gebrochen [F1], welcher sich allerdings außerhalb des direkten Tornadowirbels befand. Von hier aus zog der Tornado in Richtung Diersfordter Straße und traf den Bereich des katholischen Kindergartens Arche Noah. Hier wurden an drei Punkten des Komplexes Dachschäden [F0T1-F1T3] festgestellt. Direkt östlich davon wurde die Fassade eines Gebäudes beschädigt und ein Motorrad umgeworfen [F0].

 

Wie eingangs angeführt ist darauf hinzuweisen, dass weitere Berechnungen zur Aerodynamik durchgeführt werden müssen. Erste Berechnungen zum verfrachteten Fußballtor ergaben, dass die Gewichtskraft bei ca. 890 N (Newton) liegen würde und der resultierende Betrag der Widerstandskraft (damit ein Gegenstand bewegt werden kann) zwischen 1.060 N und 1.150 N liegen müsste. Daraus ergibt sich ein gerundeter Windgeschwindigkeitswert von ~130 km/h, was in Fujita ausgedrückt einer Intenstiät von F1 T2 (ca. 120 km/ - ca. 150 km/h) deutlich entspricht. Die Schäden am Buschwerk und die verfrachtete Trainerbank bleiben weiterhin unbekannte Komponente, für die noch ähnliche Berechnungen durchgeführt werden müssen. Es kann daher nicht ganz ausgeschlossen werden, dass F2 T4 möglicherweise punktuell vorlag. Momentan ist dies aber nicht belegbar. Die Schäden am Kunstrasen, die Verfrachtung von Gegenständen mit sehr schlechten dynamischen Flugeigenschaften und der liegend verschobene Transportanhänger zeigen auf, dass von einer Intensität in F1 (F1 T3 max.) ausgegangen werden kann. Die Tornado-Arbeitsgruppe Deutschland hat sich daher entschieden den Fall von Hamminkeln mit der Intensität F1 T3 vorerst zu versehen.

Der Tornado entstand an der Südflanke eines Gewitters, dass zu diesem Zeitpunkt über Hamminkeln zog.

Copyright/Urheber aller Fotos: Jörg Ölsner.


Radar:

IRAS_BasicCII: Low Level Reflectivity. Essen 1745UTC. Skywarn Deutschland e. V.


Weiterführende Informationen:



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